Archiv der Kategorie: unendlicher Klangraum

PHILOSOPHY-IN-CONCERT und der ANGENEHME KLANG

KONTEXT

  1. Nach ersten Experimenten mit PiC No.1 und No.1b stellt sich die Frage, wie weiter. Fernziel ist und bleibt (i) philosophische und wissenschaftliche Inhalte zu kommunizieren sowie (ii) auf Dauer ein hybrides Team zu realisieren, in dem neben menschlichen Musikern auch Algorithmen künstlerisch mitwirken.
  2. Zugleich gibt es das Bekenntnis zum unendlichen Klangraum, das beinhaltet, dass man sich nicht auf jene Klangteilräume einschränkt, die bekannt oder gar populär sind.

KONFLIKT GEFÄLLIGKEIT

  1. Hier tut sich aber ein erster Konflikt auf: die möglichen Zuhörer zerfallen in viele Teilgruppen mit unterschiedlichem Musikgeschmack, wobei der Prozentsatz derjenigen, die gängige Rhythmen oder Harmonien oder Melodien hören wollen, deutlich überwiegt. Möchte man diese Zuhörer erreichen, dann ist es keine gute Strategie, sich in Klangteilräumen zu bewegen, die die meisten als unbekannt, fremdartig, unangenehm und ähnlich erleben. Andererseits wollen die neuen Inhalte nicht so verpackt sein, dass die Zuhörer gerne zuhören, weil es angenehm klingt, unabhängig davon, was da so gesagt wird.
  2. Es muss also ein Mittelweg gefunden werden zwischen hörbar für die meisten und irgendwie doch noch neu.
  3. Aufgrund der großen Vielfalt und Streuungen an Musikstilen und -formen gibt es keine klare Grenze von bekannt und gefällig aufhört und unbekannt und sperrig anfängt.

KONFLIKT INHALT – KLANG

  1. Ein anderer Konflikt besteht zwischen möglichen textlich induzierten Inhalten und möglichem Klang. Klang als solcher hat keine direkte Beziehung zu Texten oder durch Texte induzierte Bedeutungen. Diese Beziehung kommt indirekt durch Hörer ins Spiel: jeder Hörer hat aufgrund der Sprachen, die er gelernt hat, nicht nur bestimmte Klänge, die sich mit seinem Sprechen verbinden, sondern darüber hinaus auch bestimmte Bedeutungen, die sich in seinem Kopf automatisch aktivieren, wenn er selber spricht oder gesprochene Sprache hört. Aktivierte sprachliche Bedeutung im Kontext gesprochener Sprache interagiert dann mit anderen gehörten Klängen.
  2. Vom Ansatz her gibt es keine vorgegebenen Muster, wie man sprachlichen Klang samt induzierter sprachlichen Bedeutung mit Klang als solchen kombinieren sollte.
  3. In jeder Kultur finden sich aber Muster, wie Menschen sprachlichen Klang als Sprechgesang oder in gesungener Form mit Klang verbunden haben.
  4. Neben ganz einfachen Formen finden sich immer komplexere Strukturen, die Rhythmus, Harmonien, Melodien und mehr benutzen, um ein Gesamtereignis zu formen, in denen die induzierte sprachliche Bedeutung bisweilen keine wirkliche Rolle mehr spielt. Mit der Verfügbarkeit von neuen Bewegtbild Techniken hat man sogar den Eindruck, dass der Gesamtklang samt sprachlicher Bedeutung eher in den Hintergrund tritt gegenüber den visuellen Elementen.
  5. Die Grundsatzentscheidung liegt also schon im Vorfeld: (i) gesprochene Sprache und Klang ohne visuellen Elemente oder (ii) gesprochene Sprache mit visuellen Elementen; visuell nochmals unterschieden nach statischen Einzelbildern oder bewegten Bildfolgen. Hier nochmals unterscheidbar nach live gespielt (Theater) oder elektronisch aufgezeichnet (Video, Film). Vom einfachen Lied zum komplexen situierten Spiel (Theater, Oper…) gibt es viele Varianten.

KOMPLEXER KODE – WELCHER INHALT

  1. Die Frage bleibt: was will man erreichen? Will man mittels der Sprache und der induzierten Bedeutung primär nur informieren (aufklären) oder will man über die Information hinaus auch unterhalten bzw. emotional engagieren?
  2. Die Tatsache, dass große Massen zu einem Ereignis pilgern, ist ambivalent. Fußball, politisch-demagogische Reden, diverse Pop- und Schlagerkonzerte in Stadien, … die Anlässe können unterschiedlich sein, die massenhafte Wirkung ist gleich.
  3. Andererseits, ohne ein Minimum an emotionalem Anspruch, an Gefallen, an Spannung und Erregung, wird ein Ereignis auch keine Wirkung erzielen; dann findet keine Kommunikation statt.
  4. Welche Kommunikationsform eignet sich also, um philosophisch-wissenschaftliche Inhalte hinreichend unterhaltsam, spannend, anregend zu vermitteln?
  5. Im direkten Vergleich zwischen PiC No1b beim SKOP-Festival mit z.B. einer reinen Interface bezogenen Performance wurde das Format PiC 1b auf jeden Fall bevorzugt. Doch im direkten Vergleich mit einer populären Konzertveranstaltung mit PiC 1 oder 1b haben PiC 1 oder 1b keinerlei Chance. PiC 1 oder 1b wirken viel zu beliebig, haben schlechte Qualität im Detail.

TO DOS FÜR 2016

  1. Für die nächsten Experimente von PHILOSOPHY-IN-CONCERT in 2016 müssen einige neue Gestaltungselemente eingeführt werden, die die Botschaft von PiC intensivieren. Klare Richtlinien dafür gibt es nicht und wird es auch nicht geben können. Wir werden einiges ausprobieren müssen.

PHILOSOPHIE DES PERFORMANCE FORMATES ‚PHILOSOPHY-IN-CONCERT‘

 

  1. Philosophie versucht im Medium des gesprochenen und geschriebenen Gedankens Bilder von der Welt zu finden und zu denken, die wahre Strukturen enthüllen. Hierin ähnelt sie den modernen Wissenschaften. Diese sind allerdings in ihrem Selbstverständnisses spezieller und versuchen durch Setzen von Voraussetzungen einen Rahmen und eine Transparenz zu sichern. So fruchtbar diese Strategie im einzelnen ist, so sperrt sich diese Art von Denken freiwillig in einen Käfig, der nicht das Ganze repräsentiert. Hier ist die Verantwortung der Philosophie gefragt: im philosophischen Denken gibt es keine vereinbarte Voraussetzungen, keine vereinbarte Grenzen. Im philosophischen Denken darf und muss alles gefragt werden können, auch die Frage nach den eigenen Voraussetzungen ist erlaubt.
  2. In dieser selbst verordneten Freiheit des philosophischen Denkens kann uns die Welt in großer Vielfalt und Tiefe begegnen; man kann sich allerdings auch verrennen, verirren, verstricken in einem Dickicht von widerstreitenden Aspekten.
  3. Die großen philosophischen Werke sind als Lektüre keine leichte Kost; sie verlangen viel Zeit, Geduld, Gedankenschärfe, Mitdenken, Nachdenken, eigene Recherchen. Gibt es einen anderen Weg die Gedanken sichtbar zu machen, sie an die Menschen heranzutragen?
  4. Jedes Wissen beginnt im Staunen, im Wundern, in der Frage ‚Muss das so sein?‘, ‚Warum ist das so‘?‘.
  5. Es kann helfen, die Türen zum anderen Sehen, Hören, Wahrnehmen durch solch ein Staunen zu öffnen.
  6. Hierin ist die Philosophie nicht alleine unterwegs. Die Kunst jenseits von Handwerklichkeit und individueller Meisterschaft war und ist immer schon der große Wegbereiter zur anderen Wahrnehmung, zum neu Erleben.
  7. Und doch – ein poetischer Text, eine poetische Sprache aus dem Geist des philosophischen Denkens ist letztlich anders als ein poetischer Text, der sich selbst im Spiel des Klangs, im Spiel der Assoziationen genügt.
  8. Ein poetisch-philosophischer Text kommt aus der denkerisch erschlossenen Wahrheit und sucht sich die klingenden Worte, Wortbilder, Wortmuster wie die Klänge einer musikalischen Struktur, die jenseits des einzelnen Klangs wirksam ist. Poetisch-philosophische Texte bilden die sprachlichen Ereignisse einer übergreifenden Gedankenmelodie, die nicht vollständig präzise daherkommt, aber auch nicht willkürlich assoziierend. Ein poetisch-philosophischer Text gleicht einem niederschwelligen Angebot an unsere Vernunft, aus der Begegnung, aus dem Erstaunen der sich ereignenden Worte anzuregen, weiter zu denken, weiter zu sprechen. Der gemeinsame Diskurs ist die natürliche Reaktion auf das Erleben poetisch-philosophischer Texte.
  9. Im Performance Format PHILOSOPHY-IN-CONCERT wird dieser Gedanke der poetisch-philosophischen Texte aufgegriffen und ergänzt um einen Klangraum, in den die poetisch-philosophischen Texte eingebettet werden.
  10. Dieser Klangraum versteht sich im Sinne des MANIFEST DES UNENDLICHEN KLANGRAUMES – Vorrede zu Philosophy-In-Concert Exercise 1b – SKOP 12.Dezember 2015. Im Performance Format PHILOSOPHY-IN-CONCERT legen wir uns auf keine Teilmenge des unendlichen Klangraums fest sondern bewegen uns im unendlichen Klangraum programmatisch ‚frei‘: jede Veranstaltung wird anders sein; selbst das gleiche Thema, sofern wir es nochmals aufgreifen, wird beim nächsten Mal anders daher kommen.
  11. Mit diesem Verhalten versuchen wir indirekt eine Botschaft zu leben, die dem entspricht, wie das Leben auf dem Planeten Erde seit 4 Milliarden Jahren seine Existenz, seinen Weg sucht: morgen ist alles anders als heute! Keiner weiß wirklich wie es morgen sein wird. Die einzige Chance einer Zukunft für das Leben ist, das Heute wegzuwerfen und auf immer wieder neuen Wegen das Neue zu suchen. Das Neue ist ein Ganzes, dessen Ausmaß und Gestalt das individuelle Begreifen übersteigt.